Schleudersitz KHL-Trainer

Die KHL gleicht dem Leben in der Serengeti. Überall lauern wilde Tiere und gefährliche Begegnungen. Wer nicht frisst, wird gefressen – am schnellsten die Trainer. Bereits nach nur fünf Spielen wurden die ersten jetzt entlassen.

Im August ist die Welt noch in Ordnung. Petri Matikainen sitzt mit seinem Trainerstab in einem schicken Hotel am Forggensee in Füssen. Vor ihm flimmern die Konditionswerte seiner Spieler von Avangard Omsk über den Bildschirm. Intensiv arbeitet er in Deutschland an den Fitnessplänen für eine Saison, die ihn und sein Team bis ins Gagarin-Cup-Finale bringen soll. Anfang September beginnt dieser Weg mit dem Saisonstart in der KHL offiziell – in der vergangenen Woche ist er für Matikainen bereits beendet.

Rausgeschmissen wird er nach drei Siegen und drei Niederlagen zum Auftakt. Was für eine verrückte Welt: „Es ist schade, dass wir nicht alles realisieren konnten, was wir uns vorgenommen haben“, erklärt der Finne auf der klubeigenen Homepage seinen Abschied, ehe er den ehemaligen Arbeitgeber in höchsten Tönen lobt. Die Schmeichelei gehört zum Hamsterrad auf Drogen, das sich in der KHL immer schneller dreht. Trainerkollege Sergei Svetlov verlor vergangene Woche bei Atlant sogar nach nur fünf Partien seinen Job, Lokomotive Jaroslawl hielt Übungsleiter Tom Rowe sechs Partien lang die Treue. Ihr Leben in der Wildnis KHL ist nun erst einmal vorbei. Doch nach dem eigenen Wundenlecken warten auch sie wie verjagte Hyänen darauf, wieder mitmischen zu dürfen: Wenn der nächste Trainer seinen Job verliert und vom übertriebenen Erwartungsdruck der Klubs gefressen wird.

Schneller, höher, weiter: Nach jeder Saison wird die Schraube noch enger gezogen. Aktuell leiden darunter vor allem die Trainer. Wie können sie ein Team aufbauen, wenn sie damit rechnen müssen, nach nur fünf Spielen entlassen zu werden? Gar nicht natürlich. In Mitleidenschaft gezogen werden dadurch aber auch die Spieler: Denn Zeit für Experimente oder Zeit sich zu entwickeln gibt es nicht mehr. Selbst ein großer Klub wie ZSKA Moskau agiert lieber mit nur drei Blöcken, als die Jugend einzusetzen, um die Risiken zu minimieren.

Von außen betrachtet ist der Wahnsinn schnell zu erkennen. Doch auch intern mehren sich die Kritiker, selbst von Seiten der Profiteure: Der Tscheche Milos Riha, der Matikainens Platz bei Avangard Omsk übernimmt, bemängelt noch vor Amtsantritt das fehlende Vertrauen gegenüber den Übungsleitern allgemein: „Ich bin lang genug in der Liga unterwegs und sollte mich eigentlich an alles gewöhnt haben. Aber solch frühe Entlassungen waren für mich bisher unvorstellbar“, erklärt Riha im Interview mit der russischen Zeitung Sport Express und fügt nicht ohne Eigennutz hinzu: „Den Trainern muss man mehr Zeit geben, um sich zu zeigen. Die Saison ist noch jung und alles kann sich ändern“, so der Tscheche. In Omsk soll er das Team sofort zu mehr Erfolg führen, denn für die Geldgeber zählen nur Siege. Dass es bei jedem Sieg auch Verlierer geben muss, wird von einigen Offiziellen offensichtlich ausgeblendet.