Donbass: Der Sport rückt in den Hintergrund

Andrei Nazarov ist nicht zu beneiden. Der russische Trainer des einzigen ukrainischen KHL-Klubs Donbass Donezk steht zwischen den Fronten: Sportlich geht es in der Halbfinalserie gegen Prag um die größte Herausforderung der Vereinsgeschichte – politisch droht jedoch weiteres Ungemach.

„Ich spreche ausschließlich über sportliche Belange.“ Mit diesen Worten kommentierte Nazarov gewohnt markant die schwierige Situation um die Heimspielsperre von Donbass. Der ukrainische Eishockeystandort droht in der verworrenen politischen Situation zerrieben zu werden.

Donezk ist eine Hochburg der Russland zugewandten Ostukraine, die seit Beginn des Konflikts um die Krim vor einer Zerreißprobe steht. Auf der einen Seite bekämpfen die neuen Machthaber in Kiew massiv alle russischen Einflüsse im Land – auf der anderen Seite versucht Russland, genau diese Einflüsse im Nachbarstaat auszubauen. Donbass Donezk und Andrei Nazarov stecken mittendrin. Der ehemalige NHL-Profi ist Russe – neben seinem Job als Chefcoach von Donezk zeitgleich aber auch ukrainischer Nationaltrainer und damit verantwortlich für die Entwicklung der Sportart im gesamten Land.

An seiner Person werden die engen Bande zwischen den beiden Nationen besonders deutlich: Für Nazarov ist es keine Option, sich zwischen Russland oder der Ukraine entscheiden zu müssen. Er wagt mit dem Klub weiter den Spagat, auch wenn es von Woche zu Woche schwieriger wird. Das entscheidende Spiel sieben in der Serie gegen Riga verlegten die KHL-Verantwortlichen aus Sicherheitsgründen bereits nach Bratislava. Offiziell gab es von Donezk keinen Protest, glücklich über diese Entscheidung war in der Ukraine aber niemand. Denn ausgerechnet zum Saisonhöhepunkt werden viele Fans ausgeschlossen.

Nachdem die KHL nun auch die Heimspiele der Halbfinalserie in die slowakische Hauptstadt verlegte, platzte den Verantwortlichen der Kragen: „Das Verbot widerspricht allen sportlichen Regeln der KHL und auch dem Reglement. Wir haben Zweifel an der objektiven Haltung der Liga“ schreibt der Klub auf seiner offiziellen Homepage und fügt unmissverständlich hinzu: „Die Entscheidung ist politisch motiviert.“ Bei den eigenen Fans kommen die klaren Worte gut an – die KHL reagierte mit überraschend versöhnlichen Worten: „Wir können den Frust des Klubs und der Fans sehr gut nachvollziehen – schließlich trifft beide an der Situation keine Schuld. Die Sicherheit in Donezk kann aktuell aber nicht zu 100 Prozent garantiert werde, daher können hier keine Spiele stattfinden.“

Für Seriengegner Prag ist die Situation auch nicht einfach, in jedem Fall aber ein Vorteil. Denn die Tschechen können sich ganz auf den Sport konzentrieren – und auf dem Eis heiß zur Sache gehen. Spiel zwei in Prag bescherte den Zuschauern sogar die längste KHL-Partie der Geschichte: 126 Spielminuten brauchten beide Teams, bis der Sieger feststand. Zumindest logistisch hat der Spielort Bratislava daher nun für beide Teams einen Vorteil: Die langen Reisen entfallen.

Sportlich geht es für Prag und Donezk in der Serie um den jeweils größten Erfolg in der KHL. Die politische Situation verleiht diesem Aufeinandertreffen jedoch besondere Brisanz. Andrei Nazarov ist wirklich nicht zu beneiden.