Kunlun Red Stars: Chinesische Wundertüte

 

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Seit diesem Sommer spielt auch ein chinesisches Team in der multinationalen KHL. Sportlich fällt die Bilanz der Kunlun Red Stars bisher sehr positiv aus. Doch hinter den Kulissen klappt noch nicht alles.

Keine Tradition, keine Fans: Die klassischen Nachteile eines Retortenklubs sind die größten Vorteile der Kunlun Red Stars. Denn obwohl alle gegnerischen Trainer von Spieltag zu Spieltag vor der roten Gefahr warnen, wird die Mannschaft in der KHL immer noch nicht ernst genommen. Und genau diesen fehlenden Respekt nutzt der Neuling aus: Aus bisher 33 Spielen stehen 16 Siege und insgesamt 48 Punkte zu Buche. Läuft es weiterhin so erfolgreich, sind die Playoffs ein realistisches Saisonziel.

Über Stärken und Schwächen der wild zusammengewürfelten Equipe zu philosophieren, fällt selbst ausgemachten Experten schwer. Denn wer nach Auffälligkeiten im Spiel der Kunlun Red Stars sucht, wird nur selten fündig. Das größte Plus der Mannschaft ist die Unberechenbarkeit. Dazu kommt eine besondere Motivation: „Zu uns kamen nur Akteure, die wirklich hier spielen wollen, einige haben sich sogar aus ihren Verträgen freigekauft, um bei diesem Projekt mitzuhelfen“, erklärt Trainer Vladimir Yurzinov Junior und fügt hinzu: „Wir haben ein gutes Kollektiv.“ Tatsächlich agiert die Mannschaft wie eine Wundertüte. In einem Spiel besonders defensivstark, im nächsten glänzt der Torhüter, im dritten eine Sturmreihe.

Schwer auszurechnen, dafür selten spektakulär präsentiert sich also der erste chinesische Profi-Eishockey-Standort in der KHL. Doch wie chinesisch sind die Red Stars eigentlich? Laut Ligabüro sind für das Team aktuell neun Russen, acht Finnen, zwei Schweden, Kanadier, Chinesen und Slowaken sowie je ein Amerikaner und Franzose spielberechtigt. Auch im Trainerteam dominieren russische und finnische Entwicklungshelfer.

Schon vor Saisonbeginn war diese Ausrichtung vorhersehbar, einheimische Akteure sind noch nicht soweit. Das größte Problem ist daher die Akzeptanz im Riesenreich. Nach einem sehr erfolgreichen Start in Peking musste die Mannschaft nach Shanghai ausweichen, weil die Halle in der Hauptstadt langfristig belegt ist. Und in der glitzernden und bedeutendsten Industriestadt des Landes zeigte sich das ganze Dilemma: Zur fehlenden Tradition kam die Rivalität zwischen Peking und Shanghai und massive Marketingpannen.

Am Ende besuchten die bisher 14 Heimspiele im Durchschnitt nur 1103 Zuschauer – in einer Stadt mit einer Gesamtbevölkerung von über 15 Millionen Menschen. Fasziniert von der neuen Kultur sind immerhin die ausländischen Profis im Kader. US-Topscorer Chad Rau erklärt im Interview. „Ich hätte nie gedacht, einmal in China zu spielen und bin sehr glücklich über diese Chance. Besonders gut gefällt mir das Essen, das sich deutlich von dem unterscheidet, was im Rest der Welt als chinesisch bezeichnet wird.“

Im Dezember kehrt das Team zurück in die Hauptstadt Peking und unternimmt dann einen neuen Anlauf, dass Land für die Sportart Eishockey zu begeistern.