Andrei Trefilow: „Ein deutscher KHL-Klub würde dem Eishockey hierzulande sehr helfen“

Andrei Wiktorowitsch Trefilow war als Spieler Olympiasieger und in Russland, Nordamerika und Deutschland aktiv. Heute lebt er in Düsseldorf und arbeitet er als Spielervermittler in unterschiedlichen Ligen. Die KHL ist für ihn eine Erfolgsgeschichte. Im Interview mit Daniel Keienburg erklärt er warum.

Welcher Gedanke kommt Ihnen als erster in den Sinn, wenn Sie an die KHL denken?

Trefilow: Nummer eins: Das gute Eishockey der Liga und Nummer zwei: Die finanziellen Möglichkeiten. Denn heute sieht die Situation im internationalen Eishockey folgendermaßen aus: Wenn ein durchschnittlicher Spieler die Verdienstmöglichkeiten von KHL und NHL vergleicht, erhält er in der KHL mehr Geld als in der NHL. Anders sieht es bei Top-Spielern aus, wobei der aktuell bestbezahlte Profi auch in der KHL spielt: Ilja Kovalchuk in St. Petersburg mit 10 Millionen Dollar Nettogehalt.

In einem Interview meinten Sie, dass Ihr größter Fehler in ihrer Karriere der Zwei-Wege-Vertrag in Nordamerika gewesen sei. Wären Sie jetzt noch als Torhüter aktiv, würden Sie wieder ins Ausland wechseln oder in Russland bleiben?

Trefilow: Heute empfehle ich wirklich niemanden in Amerika in einem Farmteam zu spielen. Das sportliche Niveau ist schwach und die Bezahlung sehr schlecht. Da geht es den Spielern in Europa oder Russland besser. Ich war jedoch in den 90er Jahren aktiv, da sah die Situation anders aus. In Deutschland durften nur zwei Ausländer spielen und in Russland war das ganze Land wirtschaftlich am Ende. Für russische, deutsche und Schweizer Spieler ist es heute viel sinnvoller in der Heimat zu bleiben, als nach Nordamerika zu wechseln

Und trotzdem streben diesen Sommer viele Akteure in Richtung NHL. Warum?

Trefilow: Vor allem weil viele schon als Kinder von der NHL träumen und diesen Traum verwirklichen wollen. Es ist aber ein großer Unterschied, ob ich einen Ein-Wege-Vertrag wie Panarin in Chicago unterschreibe oder nur einen Zwei-Wege-Vertrag. Die NHL ist ganz klar die Nummer eins auf der Welt und für alle ein großes Ziel. Zurück nach Russland können diese Spieler immer – und in der KHL verdienen sie mehr.

Wie viele Klienten betreuen Sie in der KHL?

Trefilow: Insgesamt sind es 25, darunter acht Trainer.

Ist ein Wechsel nach Russland heute immer noch genauso viel Abenteuer wie vor der Gründung der KHL ?

Trefilow: Der Lebensstand für Spieler ist heute in Russland sogar besser als in Deutschland. Alle Reisen werden mit privaten Flugzeugen zurückgelegt, die Appartements sind sehr schön, dazu erhält man einen privaten Fahrer. Insgesamt zahlen die Klubs in Russland mittlerweile für alles, selbst für das Essen.

Sie arbeiten als Spielervermittler in ganz unterschiedlichen Ligen. Was macht die KHL im Vergleich zu anderen Ligen noch aus?

Trefilow: Der größte Unterschied sind die strikten und eindeutigen Regularien. In der KHL ist alles sehr eindeutig geregelt und jederzeit nachzulesen. In Deutschland oder Europa gibt es so etwas nicht, was sehr schlecht für die Klubs ist. Einige stecken viel Geld in die Ausbildung ihrer jungen Spieler, dann kommen andere Vereine und locken sie weg, ohne dass sie dafür bezahlen müssen. Dieses Konzept kann langfristig nicht funktionieren und schadet dem Sport. In der KHL ist das besser geregelt. Es ist ein Business-Modell: Die Vereine investieren viel Geld in den Nachwuchs – erhalten aber gleichzeitig bei einem Wechsel den Verkaufswert.

Und doch werden Übereinkommen über Nacht einfach wieder aufgelöst. Warum?

Trefilow: Das ist einfach typisch Russland. Außerdem können Verträge in der KHL tatsächlich ausbezahlt und damit aufgelöst werden. Es gibt jedoch auch hier klare Vorgaben, zu welchem Zeitpunkt und zu welchem Preis.

Gestartet ist die KHL als Gegenstück zur NHL. Wie betrachten Sie die Entwicklung der Liga von außen und war diese Konkurrenz zur NHL vielleicht der größte Fehler der Verantwortlichen?

Trefilow: Das Eishockeysystem in Russland funktioniert. Jedes Jahr gibt es neue talentierte Spieler. Was sich mit der KHL verändert hat, sind vor allem die finanziellen Möglichkeiten. Aktuell wird sehr viel Geld in den Sport investiert, auch in die Juniorenliga MHL. Insgesamt wird es von Jahr zu Jahr besser, die Entwicklung ist also auf jeden Fall positiv, vor allem aus russischer Sicht: Die Anzahl von russischen Trainern in der Liga ist stark gestiegen, immer mehr Ex-Profis übernehmen zudem Verantwortung in der Nachwuchsarbeit. Man darf nicht nur auf heute schauen. Die NHL ist über 100 Jahre alt, die KHL dagegen mit sieben Jahren noch sehr jung.

Wie eng sind die KHL-Klubs mit der russischen Politik verknüpft, schließlich werden fast alle Topklubs von Staatsunternehmen gesponsert?

Trefilow: Die Politik spielt keine große Rolle, auch wenn ich davon überzeugt bin, dass eine starke KHL viel zum Frieden in der Welt beitragen kann. Der einzige Punkt bei dem ein Zusammenhang sichtbar ist, ist der Verfall des Rubels, schließlich werden alle KHL-Verträge in Rubel bezahlt. Der Etat der Klubs ist aber fast überall gleich geblieben.

Trotzdem meldeten in der vergangenen Saison gleich mehrere Klubs große finanzielle Probleme, einige standen auf der Kippe, Atlant scheidet jetzt aus. Wie schlimm ist die wirtschaftliche Situation aus Ihrer Sicht tatsächlich und sind mittlerweile alle Schulden bezahlt?

Trefilow: Ja, es gab Verzögerungen bei den Gehältern. Aber momentan sind alle Schulden bezahlt. Wenn mit dem neuen Management von Spartak alles klappt, werden sogar die Löhne der Saison 2013/2014 vom damaligen Pleiteklub Spartak Moskau nachträglich ausbezahlt.

In der Vergangenheit machte die KHL immer wieder mit Expansionen Schlagzeilen. Angeblich spielt ab der übernächsten Saison auch ein chinesisches Team in der Liga. Was halten Sie davon?

Trefilow: Nein, das glaube ich nicht, auch wenn es heute enge Beziehungen zwischen Russland und China gibt.

In Deutschland ist das Interesse an der KHL trotz des tollen Sports sehr gering. Wie realistisch ist aus Ihren Augen, dass in naher Zukunft auch ein deutscher Klub in der KHL mitspielt?

Trefilow: Ein deutscher KHL-Klub würde dem Eishockey hierzulande sehr helfen. Die deutsche Nationalmannschaft hat jedes Jahr Probleme, im Nachwuchsbereich ist die Situation eine Katastrophe. Das Eishockey entwickelt sich nicht. In der DEL gibt es viel zu viele Ausländer, was die Situation für die Deutschen schwer macht. Ich glaube aber, dass es bis zu einem deutschen KHL-Team noch ein sehr weiter Weg ist, schließlich ist dafür eine Genehmigung notwendig und keiner verliert gerne einen Top-Klub. Außerdem würden dann die besten Deutschen alle bei diesem Team spielen. Welche Spieler bleiben dann noch für die DEL übrig? In der Schweiz, wo die Liga einen wirklich guten Job macht, kann ich mir einen KHL-Standort deshalb eher vorstellen.