Die KHL startet in eine ungewisse Spielzeit

Am 2. September beginnt die KHL als erste große Liga weltweit mit der neuen Saison. Ob sich Fans, Trainer und Spieler darüber freuen, wird in Russland kaum diskutiert. Im Ausland dagegen umso mehr. Denn die KHL riskiert viel, um mitten in der Corona-Pandemie wieder Eishockey zu spielen. Zum Teil sogar vor Zuschauern. Vorhang auf für eine Saison voller Fragezeichen.

Brot und Spiele. Bereits im alten Rom wussten die Machthaber, wie Sportereignisse von gesellschaftlichen Problemen ablenken. Der reguläre KHL-Saisonstart fällt allein schon deshalb in diese Kategorie, weil sich das Virus nicht an Zeitpläne hält. Gespielt wird trotzdem. Wie lange und unter welchen Bedingungen ist jedoch unklar. Durchgeführt wird die neue Saison wie ein Testlauf. Spieler, Trainer, Betreuer sowie Zuschauer sind dabei die Probanden.

Die Rahmenbedingungen:

Nach dem Verzicht von Admiral Wladiwostok startet die KHL mit 23 Teilnehmern in die neue Spielzeit. Das Eröffnungsspiel am Mittwoch bestreiten CSKA Moskau und Ak Bars Kazan. Durch die ungerade Teilnehmeranzahl hat die Liga die Divisionen neu zusammengestellt, Torpedo wechselt die Conference. Die Nationalmannschaft erhält drei Spielpausen. Ein Zeitpuffer, der auch für mögliche Nachholspiele genutzt werden kann. Ein Hygienekonzept in den Arenen soll die Verbreitung des Virus verlangsamen. Eine Insel-Lösung wie in der NHL ist in der KHL wirtschaftlich nicht zu stemmen. Zudem haben viele Spieler eine Corona-Erkrankung bereits durchgemacht. Dynamo Moskau-Trainer Vladimir Krikunov sprach in einem Interview von 23 Akteuren in seinem Team mit entsprechenden Antikörpern im Blut.

Dennoch ist das Risiko groß. Denn alle Hoffnungen ruhen darauf, dass sich die Zahl der Neuinfektionen in Grenzen hält und sich die Situation weiter verbessert. Doch die medizinische Komponente ist nicht die einzige große Unbekannte der neuen Saison. Es gibt auch eine politische.

Was passiert in Belarus?

Die Politik spielt seit Gründung der KHL keine unbedeutende Rolle. Traditionell sind in Russland die Sportverantwortlichen eng mit dem Wirtschafts- und Politikeliten verbunden. Gleichzeitig war die multinationale Liga immer auch als völkerverständigende Maßnahme gedacht. Sport hilft, Vorurteile abzubauen und überwindet Grenzen. Sport hat aber auch eine Vorbildfunktion. Natürlich blicken viele Akteure daher nach Nordamerika und fragen sich, wie sie mit Dinamo Minsk umgehen sollen? In der weißrussischen Hauptstadt gibt es beinahe täglich Demonstrationen, werden Oppositionelle verhaftet, ein Generalstreik lähmt das ganze Land. Jokerit Helsinki, der erste Gegner von Dinamo wollte daher die Partie in Minsk absagen. Ohne Erfolg. Gelöst ist damit aber nichts. Denn der politische Konflikt in Belarus zieht sich auch durch das Team: Der Generaldirektor von Dinamo ist ein Unterstützer von Präsident Lukashenko, während die Fanbasis und die Sponsoren gegen ihn sind. Doch Minsk will sich genauso wie die gesamte KHL ausschließlich auf den Sport konzentrieren und alles andere ausblenden. Analog zum Corona-Virus weiß niemand, wie lange diese Taktik aufgeht.

Sportlich so spannend wie noch nie:

Neben so vielen Unbekannten gibt es aus der KHL aber auch positive Signale, denn die Konkurrenz in der Liga war noch nie so groß wie aktuell. Erstmals gibt es eine strenge Gehaltsobergrenze, an die sich alle Teams halten müssen. Dadurch verschieben sich die Kräfteverhältnisse zwar nicht sofort – doch die Konkurrenzsituation ist neu. Zu den Titelanwärtern gehören im Westen trotzdem wieder CSKA Moskau, St. Petersburg und Jaroslawl und im Osten Kazan, Magnitogorsk und Omsk.

Besonders spannend ist zudem, dass erstmals gleich mehrere Teams jungen aufstrebenden Talenten eine Chance geben. Hinzu kommen 14 Akteure mit Verträgen in Nordamerika, die die Saison in der KHL beginnen werden. Trotz der vielen Risiken ist die Liga bei den Zuschauern zurückhaltend. Zumeist nur ca. 10 Prozent der normalen Auslastung dürfen zum Saisonbeginn in die Arenen, an manchen Standorten sind gar keine Fans zugelassen.

Insgesamt ist die neue KHL-Saison ein großes Wagnis. Die Verantwortlichen hoffen, dass die angetretene Reise ins Unbekannte, die mit dem ersten Schritt am Mittwoch beginnt, nicht bereits nach dem zweiten oder dritten Schritt wieder beendet werden muss.