Deutsche Konkurrenz am Ural

Die multinationale KHL ist aus deutscher Sicht um ein spannendes Kapitel reicher. Mit dem Wechsel von Korbinian Holzer nach Russland stehen bei Avtomobilist Jekaterinburg nun gleich zwei deutsche Nationalspieler in einer Mannschaft. Da für russische Teams nur fünf Import-Spieler pro Partie erlaubt sind, ist Stürmer Brooks Macek, der seit dem Vorjahr für Avto aufläuft, nicht nur Teamkollege, sondern auch direkter Konkurrent von Holzer um Einsätze und Eiszeit. Was ist Jekaterinburg für eine Stadt und was zeichnet den Klub aus?

Russland ist das größte Land der Welt. Durch die zentralistische Ausrichtung begann die Provinz für viele Bewohner Moskaus lange Zeit jedoch schon hinter der Stadtgrenze. Auch heute noch steht Jekaterinburg bei vielen Faktoren im Schatten der beiden Metropolen Moskau und St. Petersburg. Dabei hat die viertgrößte Stadt für Reisende und Bewohner viel zu bieten. Ob sich die beiden deutschen Nationalspieler am Ural wohlfühlen, müssen sie selbst entscheiden. Die Bedingungen für Ausländer in der Stadt haben sich in den vergangenen Jahrzehnten jedenfalls deutlich verbessert. Als der Klub 1946 gegründet wurde, war das Betreten der Stadt für Fremde verboten. Als wichtiges Produktionszentrum für die Industrie und das Militär während und nach dem zweiten Weltkrieg mussten sich sogar Sowjetbürger vor einem Besuch registrieren.

Zentral gelegen – aus russischer Sicht

Rund 1667 Kilometer östlich von Moskau am Ural gelegen, war Jekaterinburg historisch aber schon weit früher von Bedeutung: Gegründet im November 1723, entstand eine der ersten russischen Fabrikstädte und ein Zentrum für das metallverarbeitende Gewerbe. Die Transsibirische Eisenbahn machte die Region zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt und Brückenkopf nach Asien. Der imaginäre Grenzpunkt zwischen den Kontinenten liegt nur rund 40 Kilometer von Jekaterinburg entfernt. Eishockey gespielt wird hier seit 1946. Der erste Klub hieß Dynamo und die Stadt damals nicht Jekaterinburg, sondern Swerdlowsk (von 1924 bis 1991). Große Erfolge blieben dem Klub jedoch versagt. Zu Sowjetzeiten pendelte das Team meistens zwischen erster und zweiter Liga, als Ausbildungszentrum war Jekaterinburg dagegen angesehen. Die bekanntesten Namen der neueren Geschichte sind Nikolai Khabibulin, Vladimir Malakhov, Ilya Byakin, Alexei Yashin und Pavel Datsyuk.

Der Magic Man hält das Team zusammen

Vor allem Datsyuk ist es, der die Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart schlägt. Denn der langjährige NHL-Star entschied sich zum Ende seiner Karriere in die Heimat zurückzukehren. In seiner ersten Saison wurde Datsyuk dabei behandelt wie eine wertvolle Kristallvase aus dem Museum: schön zum Anschauen, er sollte nur bitte bloß nicht kaputt gehen. Verletzt hat er sich trotzdem, gleichzeitig spielte er in der dritten Reihe keine große Rolle im Team und beim frühzeitigen Playoff-Aus. Erst im Juli 2020 verlängerte Datsyuk seinen Vertrag, wohl wissend, wer sein neuer Trainer in Jekaterinburg wird. Denn mit Bill Peters, der seinen Job in der NHL im November 2019 wegen rassistischer Äußerungen verlor, arbeitete Datsyuk bereits in Detroit zusammen.

Aktuell ist Datsyuk das vielleicht wichtigste Bindeglied zwischen den russischen und den ausländischen Akteuren im Kader sowie dem neuen Trainer Bill Peters. Sportlich gehört der Center mit 42 Jahren noch immer zu den herausragenden Akteuren. Vor allem macht er seine Mitspieler besser. Sturmpartner Alexei Makeyev ist mit 15 Toren in 22 Spielen sogar bester Scorer der KHL und erklärt in einem Interview die besondere Rolle von Datsyuk: „Manchmal schauen wir anderen uns an und denken, was haben wir hier eigentlich verloren, wenn unser Mittelstürmer mit 42 Jahren schneller ist als wir? Er ist einfach ein außergewöhnlicher Spieler und verändert sehr viel zum Positiven – auf dem Eis und in der Kabine.“

Starker Saisonbeginn

Datsyuk erhält zudem von Peters viel Vertrauen und Eiszeit. Dadurch hat Brooks Macek seine Rolle als bester Torjäger im Team aktuell an Makeyev verloren. Dennoch spielt er 16 Punkte in 19 Partien keine schlechte Spielzeit. Generell startete Avtomobilist sehr stark in die KHL-Saison. Peters hat die Spielkultur der Mannschaft dabei radikal verändert. Die Mannschaft agiert deutlich aggressiver, mit hohem Forechecking und mehr Risiko. Daher macht die Verpflichtung von Korbinian Holzer durchaus Sinn. Zwar muss nun immer einer der Import-Spieler zuschauen, doch durch die Pandemie und den engen Zeitplan gibt es immer wieder Verletzungen. Auf dem Eis soll Holzer vor allem die Defensive stärken: Vor dem Tor aufräumen, physisch präsent sein und den jungen Spielern helfen.

Nicht nur aus deutscher Sicht ist Jekaterinburg in dieser Saison ein ganz besonderer KHL-Standort. Langweilig waren die bisherigen Spiele bisher nie.