Eishockey-WM 2023: „Wir“ und „die Anderen“

Die Eishockeyweltmeisterschaft 2023 ist Geschichte. Für die KHL war das Turnier Zeugnis der neuen Realität. Noch nie zuvor nahmen so wenige Aktive aus der multinationalen Liga an einer Weltmeisterschaft teil. Dies lag natürlich am Ausschluss von Russland und Weißrussland, aber nicht nur. Denn alle europäischen Mannschaften mit Ausnahme von Slowenien verzichteten sogar freiwillig auf ihre immer weniger werdenden KHL-Spieler.

Welche sportliche Relevanz besaß die WM 2023?

Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Denn die Zuschauer sahen viele spannende Partien, neue Stars, strauchelnde Favoriten und mit Deutschland und Lettland zwei überraschende wie überragende neue Medaillengewinner. Insgesamt aber war das Turnier unvollständig. Dies ergibt sich allein aus der Tatsache, dass zwei sportlich qualifizierte Teams nicht antreten durften – zum zweiten Mal hintereinander. Die Absurdität versinnbildlicht die von der IIHF nach der WM veröffentlichte neue Weltrangliste der Nationen. Trotz des Ausschlusses bei den vergangenen beiden Turnieren, wird Russland hier hinter Kanada und Finnland auf Platz drei geführt.

Wenn eine Weltmeisterschaft ohne eine Top-Drei-Nation der Welt ausgetragen wird, bleibt zumindest eine Lücke. Ein fader Beigeschmack, der noch dadurch verstärkt wird, dass der Ausschluss so weit wie möglich ignoriert wird. Während im Vorjahr in der Berichterstattung das Fehlen der Sbornaja Widerhall fand – wurde in diesem Jahr fast schon ein Mantel des Schweigens über die Situation gelegt. Natürlich möchten die Organisatoren nicht extra darauf aufmerksam machen, dass ein sportliches Aushängeschild fehlt. Wenn sich Nationalmannschaften aber gleichzeitig nicht mehr aus sportlichen Gesichtspunkten zusammensetzen, sondern danach, wo die Akteure unter Vertrag stehen, ist eine neue Qualitätsstufe erreicht. Analog zu Politik, Gesellschaft und Medien soll offenbar auch im Sport das neue Schwarz-Weiß-Denken omnipräsent sein.

Neue Realität: Schwarz-Weiß-Denken

Hier stehen „Wir“, dort „die Anderen“. „Wir“ sind die sportlich Akzeptierten. „Die Anderen“ sind die Ausgeschlossenen, die aber nicht als solches bezeichnet werden sollen. Denn ansonsten müssten sich die Verantwortlichen über das Thema Rassismus äußern, das sie bekanntlich medienwirksam bekämpfen.

Doch geht es bei Rassismus nicht immer um Ausgrenzung? Darum, zu definieren, wer dazugehört und wer nicht? Fest steht: Wer eine Weltmeisterschaft austrägt, bei der zwei Nationen ausgeschlossen sind und alle Akteure, die in einer Liga dieser beiden Länder aktiv sind, bitte ebenfalls fernbleiben sollen, der grenzt aus. Egal welches Motiv dahintersteckt: Versucht wird, ein gemeinsames „Wir“ zu erschaffen und dieses zu homogenisieren – indem sich das Teilnehmerfeld, die Verantwortlichen und die Berichterstatter von „den Anderen“ abgrenzen. „Die Anderen“ sind in der Eishockeywelt alle Spieler und Schiedsrichter aus Russland und Weißrussland sowie alle Akteure, die in der KHL ihr Geld verdienen. Das ist bedauerlich und falsch.

Bei einer Weltmeisterschaft sollten die beste Nationen antreten, mit den besten zur Verfügung stehenden Spielern. Im nächsten Jahr wird es jedoch erneut anders sein – und fast niemand stört sich daran. Auch bei der WM in Tschechien bleiben Russland und Weißrussland ausgeschlossen. Es ist daher davon auszugehen, dass die neue Realität noch länger anhält.

Die NHL kennt diese Ausgrenzung nicht. In der besten Liga der Welt spielen die besten Spieler der Welt. Egal mit welchem Pass, Geburtsort, Hautfarbe oder politischem Hintergrund.