Zwischenbilanz der Spielzeit 2023-24

Der eng getaktete Spielplan der KHL-Saison 2023-24 pausiert aktuell zum ersten und einzigen Mal. Während in St. Petersburg das All-Star-Wochenende stattfindet und anschließend der Channel One Cup wartet, können die meisten Akteure durchatmen und neue Kraft sammeln. Ab 19. Dezember geht es dann bis zu den Playoffs ohne Unterbrechung weiter. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Absolviert sind bereits mehr als die Hälfte aller Spiele – und es zeichnet sich ein klarer Trend ab: Die Ausgeglichenheit in der Liga ist, trotz andauernder Versuche einzelner Klubs ihre finanziellen Vorteile schamlos auszunutzen, weiter gestiegen. Beim Blick auf die Tabelle fällt daher sofort auf, dass große Namen im Unterschied zu den Vorjahren nicht mehr automatisch einen Platz an der Sonne garantieren. So straucheln Champion CSKA Moskau und Dauerrivale SKA St. Petersburg im Westen sowie Ak Bars Kazan im Osten erstaunlich oft – bleiben aber dennoch weiterhin Top-Favoriten auf den Titel.

Während die großen Klubs noch nach ihrer Dominanz der Vorjahre suchen, schreiben kleinere Standorte Erfolgsgeschichten. Spartak Moskau ist das beste Beispiel. Der Hauptstadtklub lebte in den vergangenen Jahren höchsten noch vom ehemals großen Namen und der eigenen Geschichte. Im Sommer musste der frühere General Manager Alexei Zhamnov raus aus der Komfortzone. Er übernahm als Chefcoach die sportliche Verantwortung auf dem Eis und baute sich ein Team, das bisher alle überrascht. Bei Spartak sind es vor allem die großen Namen hinter der Bande, die den Erfolg der Mannschaft ermöglichen. Zhamnov (738 Scorerpunkte in 842 NHL-Partien) hält die Fäden zusammen. Um die Verteidigung kümmert sich Igor Ulanov (778 NHL-Spiele) und für die Offensive sowie das Powerplay ist Alexei Kovalev verantwortlich (1439 Spiele in der besten Liga der Welt bei stolzen 1129 Scorerpunkten). Diese Erfahrung und der immense Eishockey-Sachverstand lässt die Akteure auf dem Eis aufblühen.

Spartak-Stürmer Egor Filin gab Ende November zu: „Die Trainer helfen uns immens, während des Spiels und bei den Übungseinheiten. Manchmal spielen sie sogar gegen uns, da ist es fast schon peinlich zurück in die Kabine zu kommen, wenn sie einen so herzocken.“ Mit der Verpflichtung von Ilya Kovalchuk, der seine Karriere beim Heimatverein beenden möchte sowie der NHL-Ausleihe von Mikhail Maltsev wird die ohnehin schon starke Offensive noch weit aufgewertet. Damit ist Spartak auch in den Playoffs nicht zu unterschätzen.

Dem zweiten Überraschungsteam des bisherigen Spielzeit droht dagegen mit fortlaufendem Spielbetrieb etwas die Puste auszugehen. Doch Liga-Neuling Lada Togliatti strafte bisher alle Experten Lügen: Mit einer Mannschaft ohne große Namen, jedoch mit Teamgeist und Geschlossenheit als Trumpf.

Ebenfalls positiv zu erwähnen sind die weiterhin gestiegenen Zuschauerzahlen, die noch einmal einen deutlichen Push erleben werden, wenn die neue Arena in St. Petersburg für Ligaspiele geöffnet wird.

Und die negativen Seiten?

Noch immer bekommt die KHL die Auswüchse der finanziellen Dominanz einzelner Standorte nicht in den Griff. Zwar gilt eine Gehaltsobergrenze für alle Klubs, die aber weiterhin kreativ umgangen wird. In dieser Saison verringerten mehr als ein Dutzend Akteure von SKA St. Petersburg ihr Salär trotz laufender Verträge, damit der Klub die Gehaltsobergrenze einhält. Dabei ist jedem klar, dass kein Spieler freiwillig auf Gehalt verzichtet. Nun soll auch dieser Trick ab der neuen Saison eingeschränkt werden.

Insgesamt zeigt die erste Hälfte der Spielzeit 2023-24, dass die KHL die Sanktionen des Westens und die sportliche Isolierung fast aller europäischen Eishockeynationen erstaunlich gut wegsteckt. Das sportliche Niveau der Liga ist nicht signifikant gesunken, die Zuschauer erleben guten Sport, Spektakel und enge Spiele. An der in Aufruhr befindlichen Gesamtstruktur des russischen Eishockeys ändert dies aber nichts.