Barys: Angst vor der eigenen Stärke

Seit Saisonbeginn jagt Barys Astana von Höhenflug zu Höhenflug. Tabellenführer im Osten, sogar punktbestes Team der gesamten KHL war Barys bereits. Dennoch zittert das Team vor den Playoffs. Was für eine blöde Frage: Torhüter Vitaly Yeremeyev verzieht das Gesicht, kratzt sich genervt am Hinterkopf, der Ton seiner Stimme wird schrill: „Ob sich Barys gerade den leichtesten Playoff-Gegner aussucht und deshalb so häufig verliert“, will der Journalist wissen – und Yeremeyev platzt fast der Kragen. „In der Endrunde gibt es keine leichten Gegner und wir suchen uns niemanden aus.“

Angst vor der eigenen Stärke

Vier Spiele in Folge verlor Barys im Januar – trotzdem absolviert der Klub die erfolgreichste Spielzeit seiner Geschichte: Punktbestes Team der Division, zweiter in der Conference, die Playoffs sicher erreicht. Bei Barys erster Qualifikation, in der Premierensaison der KHL, feierten dies Team und Stadt im rohstoffreichen, asiatischen Land wie eine Meisterschaft. Heute ist es eine Selbstverständlichkeit, die Erwartungen sind gestiegen. Denn in die Playoffs kommt Astana bisher jedes Jahr, in der ersten Runde ist jedoch regelmäßig Endstation. Je näher daher die Endrunde rückt, desto schlechter wird das Nervenkostüm. Die Angst geht um: Was ist, wenn wir erneut früh scheitern?

Seit Saisonbeginn gehört Astana zu den stärksten Teams der KHL. Die Mannschaft ist gereift, wirkt ausbalanciert und homogen. Feiert berauschende Siege und begeistert mit aggressivem Offensiveishockey. „Die stärkste Truppe in der Geschichte des Klubs“, da sind sich alle Experten einig. Richtig ernst genommen wird Barys bei der Suche nach den Titelfavoriten allerdings nicht. Das liegt zum einen an der schlechten Playoff-Bilanz, aber auch an den vielen Vorurteilen. Kasachstan gilt in Russland noch immer als Provinz, weit weg, rückständig und agrarisch. Dabei gehört Astana zu den reichsten Städten der Welt: Auf dem Reißbrett entstanden repräsentative Luxusbauten und wahr gewordene Architektenträume.

Luxus überall – aber kein Geld für eine neue Arena

Nur für ein neues Stadion reicht das Geld immer noch nicht. Versprochen ist eine neue Arena seit Jahren. Doch der aktuelle Erfolg hat Spuren im Land hinterlassen. Astana ist Stolz auf das Team, die vielen nordamerikanischen Legionäre fühlen sich pudelwohl. Auf sie wird es vor allem ankommen, wenn nach der langen Olympiapause die Playoffs starten.

Siegermentalität, Selbstbewusstsein und mentale Stärke erhoffen sich die Verantwortlichen auch vom vielleicht stärksten kasachischen Spieler der jüngsten Geschichte: Nikolai Antropov. Der fast zwei Meter große Hühne absolvierte 788 Partien in der NHL, kehrte vor der Saison in seine Heimat zurück und ist Schlüsselspieler und Bindeglied zwischen den einheimischen Akteuren und den Ausländern. Antropov spricht englisch, russisch und kasachisch, ist körperlich robust und technisch beschlagen: Die perfekte Mischung für den Erfolg. Aktuell aber ist der Stürmer verletzt. Dennoch ruhen auf ihm die Hoffnungen des Landes, endlich den nächsten Schritt zu gehen: Die erste Runde überstehen – egal, gegen welchen Gegner.