Mythos KHL

Die KHL ist ein politisch gewolltes Großereignis. Die Liga ist die sportliche Umsetzung eines klaren politischen und wirtschaftlichen Willens. Hinter dem Konzept stecken gleich mehrere strategische Ziele: Eine Spurensuche zum Mythos KHL.

Brot und Spiele: Bereits die römischen Machthaber kannten die Strategie, eine Gesellschaft mit inszenierten Großereignissen einzulullen, von den eigentlichen Problemen abzulenken und so die eigene Macht zu sichern. Während sich im Westen offenbar niemand wundert, warum die gebührenfinanzierte ARD mittlerweile auch Damenfußball zur Primetime sendet und die amerikanischen Präsidentschaftskandidaten plötzlich wieder Clinton und Bush heißen, wird die enge Verflechtung zwischen Politik und Sport in Russland mit Argusaugen beäugt und kritisiert. Die KHL ist eines der Lieblingskritikpunkte für westliche Journalisten. Entsprechend viele Mythen und Geschichten ranken sich um diese Liga – doch live erlebt haben sie nur die wenigsten.

Auch wenn Andrei Trefilow im Interview anderer Meinung ist: Die gesamte KHL ist so ein politisch gewolltes Großereignis. Die Liga ist die sportliche Umsetzung eines klaren politischen und wirtschaftlichen Willens. Hinter dem Konzept stecken gleich mehrere strategische Ziele:

1. Die Sportart Eishockey soll in Russland Nummer eins werden. Dafür stärkt die KHL viele Regionen des Riesenreiches und bietet in der Theorie die perfekte Entwicklungsbühne für die Sbornaja. Wer auf die KHL-Landkarte blickt, entdeckt sehr schnell, dass hier selbst entlegenste Gebiete in den Genuss von wichtigen Sportevents kommen. Es ist daher kein Zufall, dass der russische Präsident Wladimir Putin sich plötzlich verstärkt an der Seite von Olympiasiegern und Weltmeistern auf dem Eis präsentiert. Das Interesse soll aufrecht erhalten werden. Denn auch in Russland fehlen Eishallen. Allein in der kanadischen Provinz Quebec gibt es mehr Trainingsstätten als in ganz Russland. Dies soll sich durch die KHL ändern.

2. Den Sport als Botschafter für wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit mit Nachbarländern nutzen. Finnland, Kasachstan, Weißrussland, Lettland und die Slowakei sind für Russland wichtige Handelspartner. Nur aus diesem Grund unterstützen russische Firmen auch ausgesuchte ausländische Klubs in diesen Ländern mit Sponsorengeldern.

3. Den Menschen in Russland ihren Nationalstolz zurückgeben. Wenn große russische Eishockeynamen in der Heimat und nicht mehr im Ausland aktiv sind, sondern wie zu Sowjetzeiten live im Stadion beobachtet werden können, lacht das Zuschauerherz. Außerdem sind die großen Geldgeber meistens Staatsunternehmen und können sich so in ein gutes Licht rücken.

Teil des Systems

Generell gilt in Russland: Wer vom bestehenden System profitiert, muss darin auch investieren. Fast alle zentralen Positionen bei Topklubs und Liga-Management sind daher nicht zufällig mit Personen besetzt, die gute Beziehungen zum engsten Machtzirkel Präsident Putin haben – oder ihm direkt angehören. Deshalb dauerte es auch nur ein Jahr, um die Marke Spartak Moskau nach der Pleite 2014 zurück in die KHL zu bringen – mit neuem Management und neuen Geldgebern.

Für die Eishockeyentwicklung in Russland und den teilnehmenden Ländern ist die KHL ein Segen. Weil die Liga der Sportart Aufmerksamkeit garantiert, das sportliche Niveau von Jahr zu Jahr besser wird und sich Spieler auf Grund der Vielzahl an Teams tatsächlich entwickeln können.

Die Schattenseiten der KHL

Die Schattenseiten der KHL werden neben der engen politischen Verknüpfung vor allem im großen Gehaltsgefälle zwischen den Vorzeige-Oligarchenklubs und kleinen Teams, die die Flagge ihrer Region hochhalten, deutlich. Darüber hinaus ist die wirtschaftliche Gesamtsituation in Russland eigentlich noch nicht reif für über 20 Profiteams mit Millionenetats. Immerhin ist der Zusammenhalt aber mittlerweile so groß, dass es der KHL gelang, die Liga trotz der westlichen Wirtschaftssanktionen und entgegen vieler anders lautender Gerüchte in diesem Sommer zusammenzuhalten.

Klar ist aber auch: Ohne staatliche Unterstützung kann die KHL momentan nicht existieren. Deshalb steht sie auch nicht in Konkurrenz zur NHL. Um nicht mehr so stark auf Subventionen angewiesen zu sein, setzt der neue Ligapräsident Dmitry Chernyshenko vermehrt auf bessere Vermarktung und stärkere TV-Präsenz. Denn wie lange der russische Staat seinen Bürgern den Luxus von heimischem Spitzeneishockey sponsert, ist unklar.

Insgesamt ist die Entwicklung der KHL eindeutig eine Erfolgsgeschichte. Im Westen wird die Liga dennoch auch in Zukunft nur mit negativen Schlagzeilen in der Öffentlichkeit vertreten sein. Vielleicht auch deshalb, weil hierzulande die Brot und Spiele-Politik der Machthaber andere geopolitische Konzepte verfolgen.